Diablo 3 leidet an einem Problem. Manche mögen jetzt einwenden, dass es an keinem Problem leidet, manch andere, dass es an vielen Problemen leidet. Hier soll aber auf ein Problem eingegangen werden, was mir persönlich einfach schmerzt. Wäre ich Blizzard-Mitarbeiter, würde es mich doppelt und dreifach schmerzen, und dennoch wird nichts an dem Problem verändert.
Wovon spreche ich?
Ich rede davon, dass Blizzard im Laufe der Entwicklung von Diablo 3 immer mehr Fokus auf einzelne (meist neu eingeführte) Aspekte des Spiels gelegt hat, und damit andere Aspekte des Spiels vernachlässigt hat. Diese „anderen Aspekte“ fristen dann ein Dasein im Schatten der Neuheiten, obgleich sie einst teilweise mit viel Liebe zum Detail erstellt worden sind. Das muss nicht sein.
Bringt man Spielelemente von Diablo 3: Reaper of Souls in ein Gleichgewicht, und zwar so, dass sie von jedem gespielt werden (wollen), hat das gleich 2 große Vorteile:
1. Die Spielelemente, in denen teils viel Arbeit stecken, erlangen wieder die verdiente Aufmerksamkeit
2. Das Spiel wird deutlich vielseitiger, denn es stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
Bevor ich hier zu lange in allgemeinem Gefasel verharre, möchte ich zum Kern dieser Kolumne kommen: dem konkreten Feedback, welche Stellen (zu Unrecht) im Hintergrund abgestellt wurden, und wie man diese Probleme beheben könnte.
1. Legendäre Gegenstände
Es gibt leider einen großen Haufen Gegenstände in Diablo 3, die nicht genutzt werden, obwohl in ihnen eine grandiose Idee steckt. So ist beispielsweise Andariels Antlitz ein kleiner Hauch von Totenbeschwörer (Giftnova) und zugleich das einzige Item, was einen negativen Effekt bereit hält, will man von dem legendären Affix profitieren. Als anderes Beispiel sei jedes Legendary genannt, was irgendwie einen Schaden von X % verursacht, denn all diese legendären Gegenstände werden heutzutage oberhalb von Qual 6 nicht mehr eingesetzt.
Der Grund, warum diese Items nicht mehr eingesetzt werden ist der, dass nur noch Multiplikatoren zählen. Wenn ein Schildstoß durch Schadenserhöhung auf dem Set, Feuerschadensbonus und Schildstoß-Schaden auf Stiefeln auf Schäden von 4000 bis 6000 % Waffenschaden pro Schlag kommt, dann sind Helme, die 400 % Waffenschaden austeilen, oder Gürtel, die Messer mit 600 % Waffenschaden werfen, schlichtweg nicht mehr zu gebrauchen.
Lösung? Es mag radikal klingen, aber alle Multiplikatoren entfernen, wäre eine Lösung (z.B. „Schildstoß verursacht 400 % erhöhten Schaden“). Dann bringen auch Affixe mit additiver Schadenserhöhung wie jene von Flammengänger, Andariels Antlitz oder Messerschärpe wieder etwas, um vorn mitspielen zu können.
2. Kampagne
Wer spielt noch Kampagne? Einmal durchgespielt, tummeln sich Spieler nur noch im Abenteuermodus, farmen in Nephalemportalen und messen sich in großen Nephalemportalen. Dabei ist die Story der Kampagne mit extrem viel Liebe gestaltet worden. Wer erinnert sich noch an Akt 5 mit seinen epischen Soundtracks und Bosskämpfen? Kennt überhaupt noch wer die Begleiter-Quests? Wer weiß noch, was der habgierige Shen zur Frage, ob er eine Gottheit sei, zu sagen hatte?
Lösung? Die Kampagne in Diablo 3 muss wieder attraktiv werden. Jede abgeschlossene Quest bietet Erfahrung, die mit der aus guten großen Nephalemportalen mithalten kann. Alternativ gäbe es die Möglichkeit, in der Kampagne bestimmte Items an bestimmte Monstertypen zu koppeln, sodass zum Beispiel der Schlächter nur den Schlächterschnitzer droppen kann. Mit einer extremen Verstärkung einzelner legendärer Gegenstände könnte man so vielleicht auch einzelne Spieler dazu bringen, wieder die Kampagne zu spielen. Die aktuelle Lage, dass Bosse garantiert ein Legendary fallen lassen, ist einfach nur schwach und motiviert niemanden, den Weg in die Kampagne anzutreten.
3. Scharmützel
Scharmützel, also Player vs Player in der Kapelle, spielt niemand. Also muss hier nachgeholfen werden.
Lösung? Ein Zufallsmodus. Beim Eintritt des Scharmützels erhält man einen Zufallsbuild und Zufallsequipment, mit dem man sich um die Ohren schlagen muss. Wird ein Gegner getötet, kann man sein Ohr aufsammeln. Zudem ein Modus, bei dem man ein Level auswählen kann und der Charakter, mit dem man das Scharmützel betritt, wird auf das Level herabgesenkt, inklusive der Gegenstände. Letzteres würde die Möglichkeit eröffnen PvP Turniere in Diablo 3 zu veranstalten, wo man beispielsweise nur Level 20er gegeneinander antreten lässt.
Möglich wären auch „Races“, die immer wieder von den Fans gefordert werden. Ein kurzer Dungeon, der von zwei Spielern parallel gecleared werden muss, inklusive Boss am Ende. Der Gewinner erhält all das, was beim anderen Spieler und bei sich selbst gedroppt ist und an Erfahrung abgeworfen wurde.
4. Schmied und Juwelier
Ab Level 70 lohnt es sich kaum noch etwas beim Schmied herzustellen. Vom Juwelier mal ganz zu schweigen, hat man die Edelsteine einmal.
Lösung? Hier braucht es extrem seltene Rezepte, die aber extrem starke Gegenstände in Diablo 3 hervorbringen. Möglich ist auch hier den Sammeltrieb anzukurbeln, indem die seltenen Gegenstände auch noch seltene Materialien benötigen, um hergestellt zu werden. Beim Juwelier könnte man mächtige Ringe und Amulette herstellen lassen, die es mit dem Schmuck im Spiel aufnehmen können.
5. Fertigkeiten, die keiner nutzt
Es gibt wahnsinnig viele Skills, die kein Spieler nutzt. Ein Barbar mit Erdbeben, ein Hexendoktor mit Säurewolke und ein Kreuzritter mit Weihe sieht man nicht sehr oft, und das liegt einfach daran, dass diese Skills schlecht sind.
Lösung: Alle Skills so balancen, dass sie gleichwertig sind. Man teile die Skills gern in Flächenschaden und Singleschaden ein, und teste bei Blizzard intern, wie lang es z.B. bei Erdbeben dauert eine Monstergruppe von 10 Monstern zu töten. Wenn dies genauso lang dauert wie mit Ruf der Urahnen, ist das Balancing in Diablo 3 geglückt. Hier müssen aber auch die Sets angepasst werden. Warum muss das Set des unsterblichen Königs Erbeben so abwerten? Wenn die Urahnen andauern bis sie sterben, warum nicht einen Effekt hinzufügen á la „Im Umkreis von 8 Metern um Euch wirkt dauerhaft Erdbeben.“? Der Effekt wäre nicht sehr weitflächig, aber ebenso mächtig wie dauerhafte Urahnen. Mit dem einen Unterschied, dass man sich hier mal für einen Skill entscheiden kann, und nicht wieder durch ein Set in eine Richtung gedrängt wird, während der andere Skill das Zeitliche segnet.
6. Edelsteine, die keiner nutzt
Die legendären Edelsteine waren eine coole Idee, die ich bis heute mag, auch wenn sie zu einer Entwertung von Qual 6 geführt haben. Trotz der guten Idee gibt es viele Edelsteine, die sinnlos sind, sowohl legendäre, als auch normale. Ein Topas im Helm bringt so gut wie nichts, denn er erhöht nur den Magiefundbonus, der bei legendären Gegenständen, und nur um die geht es ja, nur zu 10 % wirkt. Gleichzeitig ist ein Smaragd in der Waffe das Non-Plus-Ultra und kann von anderen Edelsteinen nicht erreicht werden. Auf der Ebene der legendären Edelsteine gibt es genug wie Moratorium, die niemals gespielt werden.
Lösung: Simples Balancing. Der Topas im Helm könnte zum Beispiel die Ressourcenkosten um 10 % reduzieren. Die legendären Edelsteine sollten einfach so verstärkt werden, dass sie von allen genutzt werden. Blizzard hat Zugriff auf Statistiken, aus denen ersichtlich wird, welche legendären Edelsteine genutzt werden, und welche nicht. Warum man sich hier damit zufrieden gibt, dass manche Edelsteine, die lang und breit designed wurden, nun auf der Müllhalde liegen, ist mir schleierhaft.
7. Gegenstandsqualität
Wer hat zum letzten Mal die Affixe von blauen und gelben Items in Diablo 3 angeschaut? Hand aufs Herz, das macht man spätestens seit Level 70 nie wieder. Einzig die Affixe auf legendären Gegenständen interessieren. Wer blaue, weiße oder gelbe Items sucht, der tut das, um daraus Handwerksmaterialien herauszufiltern. Muss nicht sein.
Lösung? Weiße Gegenstände sollten wie in Diablo 2 ausschließlich als Rohlinge Verwendung finden, beispielsweise für Schmiede-Rezepte (so war es ja teilweise mal) oder im neuen Patch als Rohling für Kanais Würfel-Rezepte. Diese Gegenstände haben eh keine Affixe (außer ab und zu einen Schadensboost o.ä.) und eignen sich daher perfekt dafür. Blaue und gelbe Gegenstände sollten aber mächtiger sein. Möglich wäre hier zum Beispiel, dass sie eine Kombination aus allen Affixen aufweisen könnten. Allein diese Änderung würde ihnen extrem helfen. Man könnte beispielsweise einen blauen Ring finden, der folgende Affixe aufweist:
+ 20 % Feuerfertigkeitenschaden
+ 100 % kritischer Trefferschaden
+ 10 % kritische Trefferchance
weil der Ring in diesem Fall die 3 Affixe in der Höhe gerollt hat, die sonst nur auf einem Amulett zu finden sind. Da blaue Items nicht so viele Affixe haben können, wäre das die perfekte Zwischenlösung für Diablo 3. Nicht zu stark, aber ganz anderes Potential als das, was legendäre Gegenstände aufweisen können. Auch bei gelben (seltenen) Items könnte man eine solche Mechanik einführen. Möglich wären hier zusätzlich deutlich höhere Affix-Stat-Ranges, z.B. dass kritischer Trefferschaden zwischen 0 und 100 % rollen kann.
8. Gegenstandsaffixe
Es gibt Affixe, für die interessiert sich niemand. Ganz grob kann man zu diesen nahezu alle sekundären Affixe zählen. Sie sind sekundär und können daher auch geringere Relevanz als primäre Affixe haben, aber warum gleich gar keine Relevanz?
Lösung? Interaktion mit sekundären Affixen. Mehr Gegenstände wie „Das Ding aus der Tiefe„, welches mit Heilkugelradius spielt. Eine andere Methode wäre das schlichte Balancen. Wenn Leben pro getötetem Gegner einfach verzehnfacht wird, spielt es vielleicht auch wieder jemand gezielt in Diablo 3.
9. Machtkugeln
Machtkugeln interessieren niemanden in Diablo 3. Jedenfalls auf dem PC. Denn dort springen ein paar Funken auf Gegner über, die Schaden austeilen. Letzteres wird jedenfalls gesagt, ob das allerdings wirklich so ist, spürt man nicht.
Lösung: Sich etwas an der Konsolenversion orientieren. Dort erhöhen Machtkugeln den eigenen Schaden beträchtlich. Wenn man das nicht übernehmen möchte, könnte man zumindest so etwas einführen wie erhöhte Bewegungsgeschwindigkeit durch Machtkugeln, oder zufällig ausgeführte Fertigkeiten alle 10 Sekunden, solang Machtkugeln aktiv sind. Der Kreativität von Blizzard für Diablo 3 sind hier keine Grenzen gesetzt!
10. Fazit
Blizzard hat viel Arbeit in Diablo 3 gesteckt, und zu sehen, wie all diese Arbeit einfach nur im Schatten herumliegt, ohne beachtet zu werden, tut weh. Ein bisschen mehr Balancing, ein paar mehr Anreize für die Spieler, um sie nicht nur in Grifts zu locken und nicht nur auf Sets anspringen zu lassen, täte dem Spiel wahrlich gut. Denn es würde nicht nur die harte Arbeit von einigen Entwicklern, Zeichern und Game Designern würdigen, sondern auch noch das Spiel um ein paar Facetten bereichern, die längst im Spiel zu finden sind.
Kolumne von Ysuran (Diablo-3.net)
Verfasse eine Antwort
11 Kommentare auf "Diablo-3.net-Kolumne: Das ungenutzte Potential von Diablo 3: Reaper of Souls"
man sieht recht stark dass so gut wie jeder Content der aus dem orignalen release von D3 stammt komplett irrelevant geworden ist.
-heldenlevel < 70
-kampagne
-itemcrafting
-edelsteinlevel
-weiße, blaue, gelbe items (legs gabs bei release keine)
-auktionshaus
vieles davon waren Sachen auf die man sich noch vor release von diablo 3 gefreut hat. wirklich das einzige was die zeit gut überdauert hat ist das generelle Konzept für das skillsystem^^
ok lass mich das klarstellen: ich rede nicht von legendären edelsteinen wenn ich vom edelsteinlvl rede. ich meine die ganz normalen edelsteine. die haben ja auch zig lvl. davon ist heutzutage aber nur das allerhöchste relevant. 99% aller anderen edelsteine mit niedrigeren leveln sind nicht mehr relevant. am meisten spaß hat das edelsteinsystem am anfang gemacht als man hochleveln konnte und einfach gedankenlos jeden edelstein in die sockel reingehauen hat. dieser teil des spiels existiert jetzt auch nicht mehr. es gibt quasi nurnoch 1 edelsteinstufe. das bedeutet der content dieses gesamten ursprünglichen sockelsystems ist quasi völlig verfallen…
ja stimmt, damals wo man sich die glänzenden quadratischen noch mühsam erspielen/erkaufen musste war noch nice. Bei Diablo 2 hatte man zwar auch viele perfect gems, aber man musste sie sich auch noch mehr erarbeiten und konnte sie gegen kleine Runen traden.
Wirklich gute Anreize. Ich finde auch das man die Kunst mehr Priorität geben sollte, sich Häuser anzusehen, schränke zu öffnen etc. das Motiviert mehr als das ewige eintönige Farmen- mehr ist D3 leider nich mehr. Cool und sinnvoll sind die neuen Dekos, Pets und Wings. Seid dem ist das Farmen anders deklariert und man kommt sich nicht so depressiv vor.